Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Freunde des Karl von Vogelsang-Instituts!
Der jüngst präsentierte Rechtsextremismus-Bericht des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW) fällt in eine aufgeheizte Stimmung im Land. Das DÖW hatte seit seiner Gründung den verdienstvollen Auftrag, Opfer und Täter des Nationalsozialismus zu benennen. Zumal sehr viele Opfer dies selbst nicht mehr konnten. Hier hat das DÖW ohne jeden Zweifel große Meriten erworben, auf die das Archiv stolz sein kann. Doch es scheint ein weiter Weg bis heute zurückgelegt worden zu sein, da sich das DÖW als „Staatsschutz“ (allerdings ohne verfassungsrechtliche Legitimierung) empfindet.
In dem vorliegenden Bericht werden „nationale“, „klerikale“, „religiöse“, „esoterische“ und andere Gruppierungen unisono zu Feinden einer Demokratie hochstilisiert. Die meisten der handelnden Gruppen gefährden keineswegs die österreichische Demokratie. Eine Vielzahl, der im Rechtsextremismus-Bericht genannten und inkriminierten Gruppen und Personen stehen in einer bestimmten Opposition zu gesellschaftlich vordefinierten Normen. Eine Opposition gehört jedoch zu einer funktionierenden Demokratie. Sonst blieben nur eine Monokultur im Diskurs und ein unantastbarer „Zeitgeist“. Es stellt sich die Frage, ob manche Darstellungen eine funktionierende Demokratie nicht eher destabilisieren als deren Fundament untermauern. Nicht zuletzt werden durch eine solche Vorgehensweise tatsächlich radikale und (rechts)extreme Gruppierungen permanent gestärkt. Wer kann dies wollen? Wohl niemand – außer man hat an einer permanent kultivierten Dämonisierung politisch unliebsamer Gruppen ein großes Interesse.
Besonders im Bereich des „Rechtskatholizismus“ wird die Schlagseite des Berichts mehr als deutlich. Im Gegensatz zum radikalen Islam stellen selbst konservative Gruppierungen im katholischen Bereich die Trennung von Staat und Religion nicht in Frage. Ein liberaler Rechtsstaat, den das DÖW vorgibt zu verteidigen, muss einen Widerspruch in gesamtgesellschaftlichen Fragen aushalten. Dazu zählt auch die Akzeptanz, dass es in Österreich eine Mehrheit gibt, die die Menschheit ausschließlich in „Frau“ und „Mann“ einteilt. All das macht diese Menschen und Gruppierungen keineswegs zu Rechtsextremen. Ein Bericht hat auch grundsätzlich von parteilichen Meinungen frei zu sein. Sonst läuft er Gefahr als Stimmungsmache demaskiert zu werden. Dieser Berichtsteil ist ausschließlich als Angriff auf bürgerliche Parteien und ihre Moralvorstellungen zu lesen. Es verwundert, dass Kooperationen und Naheverhältnisse von SPÖ und Grünen zu national-islamischen und autoritären Strömungen bei türkischen und arabischen communities nicht stärker thematisiert werden.
Das Karl von Vogelsang-Institut dokumentiert und erforscht seit seiner Gründung die Geschichte des österreichischen Bürgertums und seiner politisch-kulturellen Identität und seiner Repräsentanten.
Aus diesem Grund verwahrt sich das Institut entschieden dagegen, dass Persönlichkeiten und Gruppen aus dem bürgerlichen Lager mit „Alt- und Neonazis“, „Weltuntergangspropheten“ und sonstigen Sektierern in einen Topf geworfen werden. Und dies nur deshalb, weil manche Entwicklungen des offensichtlich linken Zeitgeistes abgelehnt werden und man sich zu christlichen und bürgerlichen Positionen bekennt. Dem Dokumentationsarchiv sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, dass Tausende Österreicher während der NS-Diktatur aufgrund dieses Bekenntnisses zu Verfolgten wurden, eingesperrt, misshandelt und zahlreiche Christen ermordet und hingerichtet wurden.
Wenn einem Bericht schließlich eine „Wunschliste“ beigefügt wird, dann wird aus der Beschreibung eines vermeintlichen Ist-Zustandes viel mehr. Der im Bericht klar geäußerte „Wunsch“ nach Transferierung zahlreicher Straffälle von Geschworenengerichten hin zu Schöffengerichten überrascht. Die Geschworenengerichte waren am Beginn der Republik der berechtigte (!) Wunsch der damaligen Linken, demzufolge Vertreter aus dem Volk an der Rechtsprechung verstärkt teilnehmen sollen. Soll der hier angedeutete „Wunsch“ zum Ausdruck bringen, dass der Bericht eine Unzufriedenheit mit einzelnen Justizurteilen äußert? Auf jeden Fall hat sich das DÖW einer verlangten Änderung der Rechtsprechung zu entsagen. Sonst verlangt es genau das, was es anderswo scharf kritisiert.
Keinesfalls will der Verfasser dieser Zeilen als Unterstützer aller Gruppierungen in diesem Bericht verstanden wissen. Doch die Aufgabe von Justiz und Staatsschutz darf nicht anmaßend vom DÖW wahrgenommen werden. Wenn Gruppen gegen österreichische Gesetze verstoßen, sind diese zu verfolgen oder schließlich aufzulösen. Solange dies nicht der Fall ist, genießen diese Gruppen alle demokratischen Rechte. Zumindest ist dies in einer liberalen Demokratie der Fall. Ein unreflektierter und schablonenhafter Dogmatismus wie in diesem Bericht ist dazu allerdings nicht dienlich.
Prof. Dr. Hannes Schönner
Geschäftsführer
Karl von Vogelsang-Institut